Redebeiträge vom HaSi-Geburtstagsstraßenfest

Hier noch einmal die Redebeiträge, welche auf dem Straßenfest zum 8. jährigen Geburtstag der HaSi gehalten wurden.

Redbeitrag HaSi

Wir stehen hier vor einem leeren Haus, dass seit Jahren darauf wartet mit Leben gefüllt zu werden. Wieso das Haus leer steht? Nun nach 11 traurigen ungenutzten Jahren hat 2016 eine lose Gruppe Kleintierfreunde das Haus geöffnet. Ein soziales und kulturelles Zentrum sollte entstehen, für alle zum mitmachen. Nach 3 Jahre hat die Eigentümerin die Hallesche Wohnungsgesellschaft (HWG) dem bunten Treiben mit einer Räumungsklage und viel Polizei ein spektakuläres Ende bereitet. Damit das Haus auch wirklich leer bleibt hat die HWG jähzornig die Dachluke und einige Fenster herausgerissen, die Sanitäranlagen zerstört, illegal ein denkmalgeschütztes Nebengebäude abgerissen, Bäume gefällt und das Haus dem Verfall preisgegeben.

Jetzt möchte die HWG das Haus verkaufen. Eine soziale oder kulturelle Nutzung könne man sich vorstellen: Mindestgebot 620.000€.

Wer aber ist die HWG und wie kommt sie angesichts dieser Ruine auf 620.000€?

Die HWG wurde gegründet, um den kommunalen Grundbesitz der Stadt Halle nach der Wende zu privatisieren. Es wurde eine GmbH gegründet mit der Stadt als alleiniger Gesellschafterin. Pro forma enthält der Gesellschaftervertrag eine Gemeinnützigkeitsklausel von wegen Sicherung und sozial verantwortbarer Wohnversorgung breiter Schichten der Bevölkerung. Doch spätestens seit 2005 hat der hallesche Stadtrat beschlossen, dass die HWG Geld für die Stadt zu erwirtschaften habe. Seit dem hat die HWG konkrete Vorgaben, wie viel Geld sie der Stadtverwaltung jährlich zu überweisen hat. Die Mieter:innen der HWG (und auch der GWG) zahlen also genau genommen mit ihrer Miete eine Extrasteuer zur Konsolidierung des Stadthaushaltes. Der Zwang Gewinn zu erwirtschaften steht dem Ziel sozial verantwortlich Wohnraum bereitzustellen prinzipiell entgegen. Das wissen alle Mieter:innen von privaten Wohnungsunternehmen wie Vonovia und CO, doch das soll hier jetzt nicht weiter Thema sein. Wir wollten und wollen mit dem Kampf um die Hasi zeigen, dass das der Privatbesitz an Immobilien notwendig dazu führt, dass Fragen von Stadtentwicklung, Wohnungsbau, Mieten und der Nutzung von Leerstand aus der öffentlichen Debatte gestrichen werden. Es ist eben nicht die vordringliche Aufgabe des halleschen Stadtrates oder gar der Bewohner:innen der Stadt über solche Themen zu debattieren. Es obliegt der HWG mit ihren Immobilien so zu verfahren, dass sie die Anforderungen ihrer Eigentümerin erfüllt. Nun könnte man meinen, dass die Stadt als alleinige Gesellschafterin selbstverständlich Einfluss nehmen könne. Immerhin besteht der Aufsichtsrat ja unter anderem aus Vertreter:innen der Stadtratsfraktionen und der Stadtverwaltung. Doch hier beisst sich die Katze in den Schwanz. Denn der Aufsichtsrat ist nicht dazu da soziale oder kulturelle Bedürfnisse der Stadtbevölkerung in die HWG hineinzutragen, oder einen wild gewordenen Geschäftsführer bei der rechtswidrigen Zerstörung von Denkmälern zu bremsen. Der Aufsichtsrat stellt sicher, dass die HWG die an sie gestellten Ziele verfolgt. Und so hat ein Johannes Krause von der SPD, der immer noch im Aufsichtsrat der HWG sitzt, seine Aufgabe bravourös erfüllt, indem er 2018 alle Versuche eine Lösung für die Hasi zu finden, torpediert hat. Hier nochmals ein herzliches „Danke für die Zeitverschendung“. Nach 5 weiteren Jahren Leerstand soll das Haus hinter uns also verkauft werden. Warum?. Weil es nicht die Aufgabe der HWG ist eine gemeinnützige oder kulturelle, eine umweltschonende, oder im Sinne der Anwohner:innenschaft sozial verträgliche Nutzung der Hafenstraße 7 zu suchen. Die HWG hat allein zu entscheiden, ob das Gelände dabei hilft genug Geld für die Stadt zu verdienen oder nicht. Fällt der HWG keine gewinnbringende Nutzung ein, wird das Gelände verkauft. Der Preis von 620.00 kommt dabei potentiellen Investor:innen entgegen. Er ist viel zu hoch, als das eine gemeinwohlorientierte Nutzung finanziell tragbar erscheint. Er ist aber niedrig genug um Investor:innen eines der letzten Filetgrundstücke auf der Salinehalbinsel trotz Schadstoffbelastung schmackhaft zu machen.

Wir denken die HWG hat jedes Recht über die Nutzung der Hafenstraße 7 zu entscheiden verspielt. Wir brauchen nicht den nächsten Betonklotz mit Eigentumswohnungen und dazugehörigen Parkplätzen an der Saale. Wir brauchen Platz! Wir brauchen Platz der frei gestaltbar ist, Platz der zugänglich für alle ist. Der Kampf um die Hasi 2018 und die Ausschreibung zum Verkauf zeigen, dass weder die HWG noch die Stadt für Anliegen dieser Art zugänglich sind.

3 Jahre HASI haben aber auch gezeigt, dass wir die eigentlich gar nicht brauchen. Die Hasi ist nicht durch, sondern trotz der HWG und der Stadt Halle entstanden. Das Haus hinter uns ist zur Hasi geworden dank der unzähligen Menschen die mit angepackt haben. Dank der Nachbar:innen, die uns bei sich haben Wasser holen lassen. Dank der vielen Hallenser:innen die vorbeigekommen sind und gefragt haben was wir brauchen. Die Möbel, Geschirr, Werkzeug, Matratzen, Decken und unendlich viel nutzloses Zeug vorbeigebracht haben. Dank der Menschen die Nachtschichten geschoben haben, damit wir nicht von der Polizei überrascht werden. Dank Aller die das Haus belebt haben, die den Garten gestaltet haben, die gebaut und Musik gemacht haben. Die organisiert und gefeiert haben. Die mit uns baden waren. Die uns einen Pool gebaut haben. Die gekocht und geputzt und aufgeräumt haben. Dank der Menschen die trotz gewisser Makel sich ein eigenes Bild gemacht haben. Die sich für die Geschichte der Gasanstalt interessiert haben. Dank all der Leute die diskutiert, gegrübelt und demonstriert haben. Die das CDU Büro verziert haben. Dank der Menschen die sofort zur Stelle waren, als die Polizei vermeintlich geklaute eBikes gesucht hat. Dank der Menschen die ihre Unterstützung mit unzähligen Transparenten zur Schau gestellt haben. Dank der Projekte die mit allem nötigen geholfen haben.

Dieses Potential ist nicht verschwunden. Und wenn es sich nicht so offen ehrlich und sympathisch äußern darf wird es andere Wege finden. An alle Investoren: Wer die Hasi kauft, kauft Ärger!

Redebeitrag Initiative Stein34bleibt!

Hallo!

Wir reden hier heute als Vertreter*innen der WG die bis vor einem Jahr in der Stein 34 gewohnt hat.

Heute vor 3 Tagen war Schlüsselübergabe.

Im folgenden verwursten wir eine Rede, die wir danach bei einer Demonstration gehalten haben. Weil sie einfach immer noch so gut passt. (Und wir ein bisschen faul waren)

Damals war das Motto „Stein34 war, ist und wird sein – alle Häuser bleiben!“

Wir machen daraus heute – äh- „Stein34 UND HASI war, ist und wird sein – alle Häuser bleiben!“

Ich versuch das mal zu erklären:

Stein 34 war:

Ich habe fast 5 Jahre dort in einer WG gewohnt und vorher war es lange ein gutes zu Hause für ca 40 Leute. Vor 13 Jahren oder so hat Jürgen Wiehl das Haus der HWG für ein paar Tausend Euro abgekauft. Er hatte schon damals das Ziel, das Objekt gewinnbringend wieder los zu werden und hat es also in der Zeit vergammeln lassen:

undichte Fenster und Türen wurden nicht repariert, Taubenzecken haben sich breit gemacht, Ofen waren teilweise defekt und so weiter. Obwohl alle brav Miete gezahlt haben.

So ist doch mieten eigentlich nicht gemeint. Man zahlt monatlich Geld, dafür muss man sich nicht darum kümmern, das die Bude um einen rum zusammen bricht. Naja.

Nach und nach sind deshalb viele Leute ausgezogen. Dann waren nur noch 3 von 9 Mietparteien übrig.

Wir haben 2020 erfahren, dass das Haus verkauft werden soll und haben damit gerechnet, dass das bedeutet, dass die Mieten so sehr steigen werden, dass alle ausziehen müssen.

Wir haben damals beschlossen, dass wir das Haus kaufen wollen, um bezahlbaren Wohnraum für ca. 40 Leute in der Innenstadt wieder herzustellen und dann zu erhalten.

Wir haben uns Beratung geholt von anderen Wohnprojekten und Architekt*innen, haben uns vernetzt, Tabellen erstellt, Zahlen hin und her geschoben. Der erste Preis lag bei 1 Mio€. Das war ihm dann doch zu wenig. Wir haben über den Sommer immer wieder verhandelt, bis wir am Ende bei 1,5 Mio€ waren. Das war unsere Schmerzgrenze. Wir wurden überboten. Jürgen Wiehl hat lieber an den Höchstbietenden verkauft. Aus purem Eigennutz. Er wusste, was er uns damit einbrocken würde.

Die Entmietungsmaßnahmen die dann folgten, haben unsere Erwartungen allerdings noch übertroffen. Ohne Ankündigung wurden mit Bauarbeiten im Haus angefangen, die Klingel wurde abmontiert, Schutt wurde ohne Sicherung in den Hof geworfen, Unsere Fahrräder auf einen Haufen geworfen, Wasser wurde zeitweise abgestellt, Schornsteine und Heizsysteme manipuliert und Türschlösser zu Hof und Keller wurden einfach ausgetauscht. Alles ohne Ankündigung.

Dann wir haben unbegründete fristlose Kündigungen erhalten.

Wir haben das ganze Jahr 2022 damit verbracht dafür zu kämpfen, dass wir bleiben können. Wir haben uns vernetzt, wurden unterstützt, sind vor Gericht gezogen, haben viel Zeit und Energie aufgebracht, um unseren eigenen Wohnraum zu erhalten. Am Ende mussten wir aufgeben und haben uns entschieden auszuziehen. Obwohl wir im Recht waren. Die Belastung war zu groß und der Kampf war zu anstrengend. Auch wenn wir viel Unterstützung erfahren haben, waren wir einfach zu wenige.

Wir konnten aber Abfindung aushandeln, die weit über dem lokalen Durchschnitt liegt: Für 50.000€ hat er uns rausgekauft. Ein Teil wurde bereits verteilt und verspendet. 25.000 sind jetzt noch da. Für die Unterstützung kommender Mietkämpfe oder Wohnprojekte.

Wir machen diese Summe öffentlich und wollen damit bewirken, dass alle, die in einer ähnlichen Situation sind, nicht zögern sich richtig gut bezahlen zu lassen dafür, dass sie ihr Zu Hause verlassen müssen, Platz machen müssen für Leute, die einfach viel mehr Kohle haben als sie.

Stein 34 ist:

Das Haus ist nicht leer! Es wohnen noch zwei Mietparteien dort. Eine Person wohnt da seit über 25 Jahren, zwei andere seit fast 40! Sie sind also noch viel tiefer verbunden mit dem Haus, als wir in der WG es waren. Sie haben stabile alte Mietverträge, und zahlen nicht übertrieben viel.

Das stört den Hausbesitzer und das lässt er die Verbliebenen spüren:

Z.B. wurden letzten Winter Alle Fenster in den Leeren Wohnungen zum Hof ausgebaut und nicht wieder eingebaut. Der Energieaufwand, um die Wohnungen zu heizen ist extrem gestiegen.

Die verbliebenen Bewohner*innen haben erneut geklagt – und wieder gewonnen! Der Vermieter Jonas Bien wurde vom Amtsgericht Halle dazu aufgefordert, dass er die offen stehenden Fenster zu machen muss.
Stein 34 ist! immer noch widerständig!

Allerdings konnten auch die zähesten Bewohner*innen dem Stress nicht unbeschadet Stand halten. Eine Person hatte letzten Sommer einen Hirnschlag und liegt seitdem im Wachkoma im Krankenhaus. Zuletzt hat sie immer nur gesagt. Ach ich kann nicht mehr. Hier ist doch alles scheiße.

Inzwischen hat der Besitzer die Baustelle abgebrochen. Es scheint so, also wären ihm seine größenwahnsinnigen und asozialen Pläne doch über den Kopf gewachsen.

Die aktuellen Bewohner*innen frieren weiter und haben jetzt keine ansprechbare Hausverwaltung mehr.

Stein 34 wird sein! Alle Häuser bleiben

Jonas Bien wollte Kernsanieren. Luxuswohnungen aus den bestehenden machen.

Wer aber soll da wohnen? Und ist das überhaupt notwendig? Wir finden: nein. Eine vernünftige „soziale“ Sanierung müsste nicht dazu führen, dass die Mieten derart steigen, dass z.Bsp. alteingesessene Rentner:innen sie sich im Leben nicht mehr leisten können und ausziehen müssen.

Alle Häuser bleiben!

Die Große Steinstraße 34 ist nur ein Beispiel für steigende Mieten, Entmietung und Verdrängung in Halle!

Wir stehen hier vor der alten Hasi. Die wurde einfach aus irgendeinem Prinzip geräumt. Die könnte aber, ohne irgendwem zu Schaden so viel Platz für soziale und Kulturelle Projekte und eben auch Wohnraum bieten. Warum muss man um sowas so hart kämpfen?

Das Schiefe Haus in der Breiten Straße, das Haus am JCP 1, die Reideburgerstr. 5, das sind alles Häuser, wo die Mieten noch ziemlich günstig waren. Und es sind Häuser, deren Vermieter alles getan haben, um Bewohner*innen raus zu schmeißen, um teurer weiter zu vermieten oder eben… Nichts. Nichts damit zu machen, einfach den Zugang zu verwehren. ……… Und das sind nur ein paar Beispiele.

Wir haben die Entmietungsmaßnahmen nicht nur öffentlich gemacht, um unseren eigenen Mietvertrag behalten zu können, sondern darauf aufmerksam zu machen, dass dieses Vorgehen nicht normal, sondern sau unfair ist!

Wir wünschen uns, dass Betroffene in anderen Häusern so ein übergriffiges Verhalten nicht hinnehmen, sondern sich vernetzen und sich im besten Fall wehren!

Es ist aber auch komplett nachvollziehbar, wenn man neben Arbeit, Familie, Psychischem Stress, einfach anstrengendem Alltag, nicht die Kraft hat in eine Juristische Auseinandersetzung zu gehen und Baulärm einfach nicht aushält.

Aber dann soll es wenigstens eine Abfindung geben die Investment-Ärschen zumindest ein bisschen weh tut.

Alle Häuser bleiben…

Das klingt vielleicht auch komisch, weil die Häuser ja nicht verschwinden.
Bestimmt sollen auch eine menge Häuser abgerissen werden und Platz machen für unbezahlbare Neubauten.

Aber Die Stein 34 und die Hasi soll ja nicht abgerissen werden. Physisch ist Sie noch da aber für uns, für Leute die sich diese irre hohen Mieten nicht leisten können, verschwinden diese Häuser.

Schöne Häuser in der Innenstadt werden unzugänglich für uns.

Eine beheizbare Wohnung, relativ zentral, relativ hell – das ist kein Luxus! Das braucht jeder Mensch, wenn er psychisch und physisch gesund sein soll.

Wir alle haben ein Recht darauf!

Deshalb fordern wir:
Keine Rendite mit der Miete!
Stein 34 UND HASI war, ist und wird sein!

Alle Häuser bleiben!

Redbeitrag zur Jugendkriminalität

Wenn in letzter Zeit in Halle von Jugendlichen, die sich im öffentlichen Raum aufhalten, die Rede ist,dann geht es meistens um sogenannte Jugendkriminalität. Es geht um Jugendliche, die andere Jugendliche bedrohen, ihnen ihr Handy, ihren Geldbeutel oder andere Wertsachen abziehen. Die Zahl dieser Straftaten ist laut Kriminalstatistik in den vergangenen zwei Jahren gestiegen. Dieser Anstieg wird benutzt, um drastische Verschärfungen der Sicherheitspolitik durchzusetzen. Die Antwort der Stadt auf die gestiegene Jugendkriminalität heißt vor allem: mehr Polizei. Dass das keine nachhaltige Lösungsstrategie sein kann, sollte eigentlich klar sein. Ist es aber leider nicht.
Ich will euch nicht zu sehr mit Zahlen langweilen, denn mir geht es weniger um die Rechtfertigungen der Maßnahmen als um deren Konsequenzen. Allerdings ist es doch ganz nützlich, die Argumentation der Stadt zu kennen und einzuordnen: Die Anzahl der angezeigten Delikte, denn nur diese fließen in die Kriminalstatistik ein, mit der all diese Verschärfungen der Sicherheitspolitik gerechtfertigt werden, ist in den letzten zwei Jahren gestiegen. Im längeren Vergleich entpuppt sich dieser drastische Anstieg aber als doch eher leicht. Wenn man sich ein größeres Zeitfenster anschaut, sieht man nämlich, dass die Zahl der Jugendstraftaten seit der Jahrtausendwende deutlich gesunken ist. Erst ab dem Herbst 2021, also in etwa ab dem Zeitpunkt, ab demdie Kontaktbeschränkungen der Pandemie gelockert wurden, steigt die Jugendkriminalität. Ob es da vielleicht einen Zusammenhang geben könnte, mit dem Lockdowns als das öffentliche Leben so gut wie heruntergefahren war, wird so gut wie nicht gesprochen. Stattdessen wird ein verzerrtes Narrativ präsentiert, dass schon bestehende Ängste und Unsicherheiten befeuert, sei es im Stadtrat, in Presseberichten oder durch die sogenannten Sicherheitsbehörden selbst. Durch dramatische Bebilderungen von Artikeln über sogenannte Jugendkriminalität, durch fehlende Einordnung der Zusammenhänge in Argumentation oder populistische Rhetorik inn Pressemitteilungen. Dabei gehen häufig Rassismus und Klassismus Hand in Hand, wenn beispielsweise ein Zusammenhang zwischen vermuteter Migrationsgeschichte mutmaßlichen Täter*innen, Armut und Kriminalität hergestellt wird, beispielsweise wenn von „Migranten-Gewalt“ gesprochen wird oder weiße Jugendliche sich rassistisch über die angeblichenTäter äußern Natürlich ist es schlimm, wenn Jugendliche bedroht oder angegriffen werden. Aber weder die Art, wie über die Jugendkriminalität gesprochen wird, noch die Lösungsansätze tragen dazu bei, langfristig etwas an den Verhältnissen zu ändern.

Im Oktober hat die Stadt einen Maßnahmenplan zur Bekämpfung der Juugendkriminalität veröffentlicht. Dieser lässt sich vor allem auf „mehr Polizei und ein besseres Ansehen dieser“ runterbrechen. Es gibt aktuell mehr Streifen, die in der Stadt und vor besonders betroffenen Gymnasien unterwegs sind, es soll Patenschaften zwischen Schulklassen und der Polizei geben und bei Verletzungen der Schulpflicht soll dies schneller an die Ordnungsämter weitergeleitet werden. Was Schwänzen mit Jugendliche abziehen zu tun hat, wird dabei nicht weiter ausgeführt.

Was im Plan fast ganz fehlt sind Maßnahmen wie eine gut ausgestattete Jugendsozialarbeit oder die Bekämpfung von sozial-räumlichen Spaltungen. Das waren übrigens unter anderem Strategien, die Anfang der 2000er dazu geführt haben, dass die Kriminalitätsrate gesunken ist, aber das nur so am Rande.

In der Praxis führt dieser Maßnahmenplan dazu, dass überall in der Stadt merklich mehr Cops unterwegs sind. Sie überwachen Schulwege und sollen bekannte Jugendtreffs kontrollieren. Dabei werden diese Kontrollen zur rassistisch motivierten Schikane des in ihren Köpfen verankerten Täterprofils: junge migrantisierte Männer. Ihnen wird in der gesellschaftlichen Vorstellung eine ganz bestimmte Funktion zugeschrieben: Sie werden als gefährlich abgestempelt, als gewalttätig, machistisch, sexistisch, kriminell, … . Diese rassistische Projektion,die ja auch keine neue ist und keine, die nur in Halle stattfindet, hat vor allem ein Ziel: Die weiße deutsche Mehrheitsgesellschaft will sich selbst abgrenzen von allem, was das Bild der heilen Welt gefährdet. Schuld sind halt am Ende doch immer „die anderen“ und nicht „die Deutschen“. Racial Profiling ist hier best practice.

Dabei ist eigentlich längst klar, dass die Gründe für Jugendkriminalität nicht vom Pass abhängen, sondern in patriarchischen Männlichkeitsbildern, fehlenden Perspektiven und Ressourcen liegen. Statt die tatsächlichen Ursachen anzugehen, werden einfach die Symptome so lange bekämpft, bis sie für weiße Jugendliche mit Eltern, die mehr Geld in der Tasche haben, wieder unsichtbar wird und diese sich ohne geschürte Ängste im Hinterkopf in den wenigen öffentlichen Räumen, die es in der Stadt gibt, bewegen können.
Falls ihr euch schon gefragt habt, was eigentlich dieser Redebeitrag mit Freiräumen zu tun hat, dann bekommt ihr jetzt endlich eure Antwort (danke für die Geduld). Durch diese „Maßnahmen gegen Jugendkriminalität“ werden in der Praxis alle, die nicht in das Bild der gut situierten Jugendlichen der nördlichen Innenstadt passen, aus ihr verdrängt. In den letzten Monaten ging die Anzahl Delikte wieder zurück, aber ob das nicht einfach daran liegt, dass Winter ist und das Wetter schlechter, scheint niemanden zu interessieren. Die Polizei dagegen bleibt weiter auf der Straße und kontrolliert, wer sich wie wo aufhält.

Denn, darin sind sich mit Sicherheit zumindest alle, die hier groß geworden sind, einig: Es fehlt in dieser Stadt an Räumen, in denen Jugendliche und junge Menschen einfach sein können. Räume, in denen man kein Geld ausgeben muss, in denen man auch laut sein darf und nicht schief angeguckt oder, wir sind hier immer noch in Halle, angeschrien wird, die im Idealfall sogar trocken sind. Räume, in denen man sich ausprobieren und organisieren kann.
Diese Räume gibt es selten bis gar nicht und die die existieren drohen immer mehr zu verschwinden.

Um nur ein paar Beispiele aus der nördlichen Innenstadt zu nennen: Das Gravo am Reileck wird zu Luxusapartments und einem Biosupermarkt, am Lamu und am Bebel gibt es immer wieder Konfikte zwischen denen, die in Ruhe schlafen wollen, gediegen ihren Wein trinken wollen und denen, die nicht in dieses spießige Bild passen; auf der Peißnitz steht währenddessen die Polizei zum „sicheren“ Feiern bereit. Es gibt also sowieso schon wenig, und aus diesen wenigen Orten sollen zunehmend alle verdrängt werden, die nicht so gut ins schicke Stadtbild passen, die, die die störende Musik hören, nicht so kartoffelig aussehen oder die sich nicht so eloquent ausdrücken können.
Gleichzeitig stehen massig Häuser in fast allen Stadtvierteln leer. Wir stehen hier vor der Hasi, die seit sechs Jahren leer steht, in Neustadt stehen viele Platten seit der Wende leer und auch in der Innenstadt sind große Gebäude wie zum Beispiel das ehemalige Galeria-Gebäude ungenutzt.

Was also tun? Wie können wir den öffentlichen Raum wieder dazu machen, was er sein sollte, nämlich ein Ort für kommunikativen Gemeingebrauch, der Ort wo Menschen zusammenkommen, den sie gestalten, wo sie füreinander da sind und zusammen an einer besseren Zukunft bauen?
Jetzt kommt hier leider kein 10-Punkte-Plan, so schön es auch wäre, aber: Freiräume müsen erkämpft und verteidigt werden und das passiert in Halle leider viel zu wenig. Lasst uns darüber heute hier ins Gespräch kommen, uns vernetzen, zeigt euch solidarisch,bleibt standhaft, lasst euch nicht verdrängen und schaut vor allem auch nicht weg, wenn verdrängt wird, sei es durch cops, besorgten Nachbar*innen, Vermieter*innen oder sonst irgendwem! Lasst uns gemeinsam unsere Empörung und Wut sichtbar machen und für einander einstehen!

Die Häuser und die Plätze denen, die sie brauchen !